09. April 2015 - Dipl. Ing. Nicolas Ehrschwendner
Wir leben in einer Welt von Anwendern. Egal ob bei der Benutzung von Computern, Tablets oder Mobiltelefonen: Der Trend geht Richtung Einfachheit, oder doch Gefangenheit? Hersteller schränken die Freiheit der Benutzer immer weiter ein. Individualität ist out. Der Produzent bestimmt, wie seine elektronischen Geräte zu verwenden sind, was erwünscht und erlaubt ist – und was eben nicht! Dritte Unternehmer, die Software und Hardware für solche Produkte herstellen, unterliegen strengen Verträgen und somit Regeln. Die Konsumenten werden zu gefügigen Anwendern geformt, die genau das tun, was der Hersteller ersonnen hat.
Die Freiheit wird bei der Software der Geräte so weit wie irgendwie möglich eingeschränkt. Die Argumentation ist immer die Gleiche: Es sei zum Wohle der Anwender (man könnte vermutlich auch sagen: „Es dient nur der eigenen Sicherheit“). Die kreierten „Sandboxes“ sollen den Datenschutz des Konsumenten erhöhen und die einwandfreie Funktionalität der zertifizierten Programme gewährleisten.
Den Herstellern auf der anderen Seite ist jedoch die Kontrolle über Hard- und Software wichtig. Und natürlich der exklusive Zugriff auf die wertvollen Benutzerprofile. „Freiheit“ erlangt man da nur über spezielle Hacks, also Software, die den Zugriff auf die Hardware ohne Einschränkungen erlaubt. Damit ist es möglich, solchen „geschlossenen“ Geräten tolle Funktionalität abseits der vorgegebenen Bahn zu entlocken. Betroffen ist ein breites Spektrum jeglicher Hardware, von Mobiltelefonen über Fernseher bis hin zu Autos und Heizungssystemen. Offene Schnittstellen sind heute leider Mangelware.
Ähnliches gilt für die Hardware selbst: Waren das noch schöne Zeiten, in denen bei jedem Fernseher oder anderen elektronischen Geräten ein Schaltplan beigelegen ist. Heute ist es schon eine Herausforderung, die Geräte zu öffnen und zu zerlegen. Produzenten setzen alles daran, dies unmöglich zu machen. Da gibt es Designer-Computer, bei denen Hardwarekomponenten nicht zu tauschen sind und nur mit dem Betriebssystem des Herstellers funktionieren. Nicht zu vergessen Autos, auf denen zwar – zu mindestens für den Multimedia-Bereich – freie Software wie Linux läuft, auf die man jedoch auf keinen Fall zugreifen soll. Moderne Kaffeevollautomaten und Waschmaschinen bieten meistens für den Herstellerservice Schnittstellen, mit denen man die Geräte programmieren kann, jedoch sind diese meist nicht dokumentiert und geheim. Nur selten trifft man auf Hersteller, die es als Teil ihres Marketings sehen, ihre Geräte inklusive Schnittstellen vollständig zu dokumentieren (Lob z.B. an Hygromatik) und somit auch eigene individuelle Lösungen abseits der Vorgaben zu ermöglichen.
Warum ich Ihnen das alles erzähle? Wir als professionelles Datenrettungsunternehmen sind auf Mitarbeiter angewiesen, die es lieben Hardware zu hacken, neue Programme zu schreiben, die neugierig sind, die begeistert Probleme lösen. Lauter Eigenschaften, die vor 10, 20 Jahren noch oft bei Bewerbern zu finden waren, heute jedoch kaum noch anzutreffen sind.
Aber ein neuer Trend ist im Kommen: Vielen jungen Menschen ist das reine Anwenderdasein zu wenig. Sie beginnen wieder zu basteln, zu forschen, neugierig hinter das – oder auch in das – Produkt zu schauen. Sie zerlegen und reverse engineeren. Mini-Computer wie der Raspberry Pi sowie Einrichtungen wie das Wiener Metalab unterstützen die Bewegung fantastisch. Wir leben in einer Zeit, in der man so gut wie alle elektronischen Geräte, die man sich wünscht, selber bauen kann: Von der Hausautomatisierung über 3D-Drucker bis hin zur Sauna- oder Dampfbadfernsteuerung (an dieser Stelle danke an meinen Kollegen Peter) und Geigerzähler.
Seid neugierig, zerlegt und forscht. Wagt einen Blick hinter die Anwendung auf die Funktion, auf das Wie. Traut euch den Schritt neben der von den Herstellern vorgegebenen Autobahnen, auf die holprigen, aber dafür viel spannenderen Wege.